Montag, 20. August 2012


Santa Margarida: Offener Brief an den Präsidenten der Europäischen Kommission

Herrn J.M. Barroso, Vizepräsidentin, Frau V. Reding, und die Mitglieder der Kommission

Betreff: Geplante Änderungen des spanischen Küstengesetzes

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Vizepräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren,

Wir entnehmen den Pressemitteilungen der Europäischen Kommission und der Kommissarin für Justiz, Frau Viviana Reding, dass die Kommission Spaniens Pläne zur Verbesserung der Situation der Bürger, die eine Immobilie an der spanischen Küste erworben haben, begrüßt.

Wir haben in der Vergangenheit, die Bemühungen von europäischen Abgeordneten, von Frau Reding und der Kommission in dieser Angelegenheit aufmerksam verfolgt und sie dankbar zur Kenntnis genommen.

Wir sind Betroffene des Küstengesetzes, das auch an dem Ort, in dem wir Häuser, Apartments, Grundstücke und Schiffsliegeplätze erworben haben, durchgeführt wurde, in Roses-Santa Margarita an der Costa Brava. Wir haben uns zu einer Vereinigung zusammengeschlossen, die sich gegen den Missbrauch des Küstengesetzes wendet und 250 Mitglieder von ca. 500 betroffenen Eigentümern vertritt.

Frau Reding fordert in Ihrer Pressemitteilung die Betroffenen und Interessierten auf, sich den

Gesetzentwurf anzuschauen und sich gegebenfalls zu äußern. Wir und auch unser Rechtsanwalt haben den Gesetzentwurf studiert und sehen uns veranlasst, auf Ihre Mitteilung zu antworten.

Wir können Ihre positive Einschätzung der von der spanischen Regierung vorgelegten Entwürfe nicht teilen. Wir bemerken zwar einige Verbesserungen. Wir stellen aber fest, dass auf das Ganze gesehen, die vorgesehenen Änderungen Nachteile und Unsicherheiten bringen.

Wir begründen das folgendermaßen:

1. Der Gesetzesentwurf behält die bisherige ungenaue Definition der Meereseinflußzone

(maritimo-terrestre) bei. Diese Zone, die das Staatseigentum (Dominio publico) umfasst, erstreckt sich bis "dahin, wohin die Wellen bei den stärksten bekannten Stürmen gelangt sind". Außerdem dehnt sie sich in die "Flußläufe aus, soweit der Einfluß der Gezeiten spürbar ist". Diese Definitionen haben in der Vergangenheit zu unsachgemäßen und willkürlichen "Abgrenzungen" und damit Enteignungen der Küstenbehörden geführt und werden das weiter tun. Mit dieser Definition wird keine "Rechtssicherheit" geschaffen.

Ein Beispiel ist unsere Urbanisation Santa Margarita, die legal auf privatem Gelände in einem alten Fluß- und Seengelände errichtet wurde. Die alten Entwässerungsgräben (Asequias) wurden zu Kanälen ausgebaut, die Schiffen den Zugang zum Meer ermöglichen. Eigentümer haben aus ihren an den Kanälen gelegenen Grundstücken Schiffsliegeplätze - entsprechend dem seinerzeit genehmigten Plänen - ausgehoben und geschaffen, die als Privatbesitz im Eigentumsregister und Kataster notariell eingetragen sind und so auch von nachfolgenden Käufern erworben wurden. 2008 wurde das zum großen Teil kilometerweit vom Meer entfernte Margarita überrraschend einer zweiten Abgrenzung unterzogen, die die bisherigen Grenzen, die auf die eigentliche Küstenlinie beschränkt waren, extrem erweiterte. Die

privaten Liegeplätze in der Urbanisation wurden enteignet, an den an Kanälen anliegenden Häusern wurden 6 m als öffentlicher Durchgangs- und Servicestreifen (Servidumbre de trasito) deklariert. Teilweise geht dieser Streifen mitten durch Häuser.

Da bei besonderen Wetterkonstellationen das Meereswasser bis weit nach Roses vor dringt, könnte man einen großen Teil des alten Stadtgebietes von Roses mit der obigen Definition enteignen oder gar abreißen.

2. Der neue Gesetzesentwurf sieht in Artikel 1,1 a; 2;20,5 vor, dass die künstlich, kontrolliert und zu diesem Zweck mit Einrichtungen versehenen überschwemmten Gebiete nicht mehr Teil des Dominio Publico sind. Dies begünstigt meereswirtschaftliche Anlagen, gilt aber nicht für schiffbare Gebiete. Die Einführung eines Reglements für die sogenannten maritim-terrestrischen Urbanisationen mit schiffbaren Kanälen (Art. 20) bringt keine Vorteile, sondern schreibt wohl die rechtlich fragwürdigen Enteignungen fest. Die auf privatem Gelände angelegten Kanäle sind Dominio Publico und die künstlich überschwemmten Gebiete werden in das Staatseigentum inkorporiert, auch wenn sie das bisher nicht waren. Zwar werden die an die Kanalhäuser angrenzenden privaten Gebiete (z.B. Gärten) und zurückgesetzte Schiffsgaragen ausgenommen, aber es bleibt unklar, ob sich das auch auf die in Santa Margarita enteigneten privaten Schiffsliegeplätze bezieht. Auch ob der deklarierte Durchgangs-und Servicestreifen an den Häusern verbleibt, wird in der Schwebe gehalten. Es sollen zwar keine neuen Servidumbres de transito eingerichtet werden, aber die urbanistische Planung muß dafür sorgen, dass Durchgang und Zugang bei den Kanälen garantiert ist.

Im Widerspruch zu diesen Regelungen steht, dass dann die im Anhang des Gesetzesentwurf angeführten maritim-terrestrischen Urbanisationen, zumindest ihre "nucleos", aus dem Dominio publico herausgenommen werden (Disposition adicional sexta).Es ist unklar, was das bedeutet. Selbst, wenn das die Aufhebung der vorstehend genannten Regelungen bedeuten würde, wären die Eigentümer nicht von allen Lasten und staatlichen Eingriffen befreit. Diese Urbanisationen und die ausgeschlossenen Gebiete werden "bienes patrimoniales" ("Staaterbe") und unterliegen einem besonderen Gesetz (Ley 33/2003), das den öffentlichen Verwaltungen besondere Rechte und Pflichten, also Einwirkungsmöglichkeiten, auferlegt. Es ist auch unklar, nach welchen Kriterien die im Anhang genannten Urbanisationen ausgewählt wurden. Santa Margarita ist, wie zu erwarten wäre, nicht dabei, und die betroffenen Eigentümer wissen nun nicht, was für sie gelten wird. 3. Auf den ersten Blick scheint es ein Entgegenkommen an Betroffene zu sein, wenn bestehende Konzessionen für die Nutzung der als Staaatseigentum erklärten Liegenschaften von bisher 2 x 30 Jahren (ab 1988) auf 75 Jahre verlängert werden können. Nach dem Küstengesetz von 1988 (Disposiciones

transitoriasprimera-1) hatten Eigentümer, deren Privatbesitz vor der Verabschiedung des

Küstengesetzes gerichtlich anerkannt war, ein Recht auf die Konzession. Nun wird die Erteilung der Konzession zu einer Kann-Bestimmung erweicht. Bisher mussten diese Konzessionen als Kompensation für die staatliche Aneignung ohne Pachtgebühren erteilt werden. Nach dem neuen Entwurf sollen Konzessionäre Gebühren entrichten, auch die von einer Enteignung betroffenen. Damit tritt die nahezu paradoxe Situation auf (so auch in unserem Fall), dass der Staat Eigentümern ihren legal errichteten oder erworbenen und im offiziellen Eigentumsregister ohne Einschränkungen als privat eingetragenen Besitz entschädigungslos wegnimmt und sie dann noch zur Kasse bittet. Dies verstösst klar gegen

europäische Rechtsgrundsätze, die den Schutz des Eigentums und im Falle einer Enteignung eine Entschädigung vorsehen. Es kann zwar als Fortschritt gewertet werden, dass die Veräusserung und Vererbung der Konzession – was faktisch bisher schon stattgefunden hat -nun legalisiert wird. Dies wird aber dadurch relativiert, dass der Staat sich hierzu die Genehmigung vorbehält. Es ist auch kaum als Vorteil zu betrachten, dass die Inhaber einer Konzession nun auch offiziel Erhaltungs- und Verbesserungarbeiten an den enteigneten Einrichtungen durchführen dürfen. So spart der Staat Kosten für die Erhaltung ihm gehöriger Einrichtungen, für deren Benutzung er ja schon Gebühren erhebt.

4. Gegen europäische Rechtsgrundsgrundsätze verstösst auch, dass das Küstengesetz und die geplanten Änderungen weiterhin rückwirkend gelten sollen.

5. Dies ermöglicht zwar, dass bisherige Abgrenzungen und Enteignungen in einigen Fällen revidiert werden können. Aber grundsätzlich bleibt das, was bisher zum Dominio publico erklärt wurde, weiterhin in staatlicher Hand. In den Fällen, wo der Gesetzesentwurf neue Verhältnisse schafft, muss der enteignete Eigentümer sich an die zivilen Gerichte wenden und die Aufhebung der Enteignung einklagen. Angesichts der unklaren und widersprüchlichen Rechtslage ist das ein kostspieliges, unsicheres und langwieriges Unternehmen – wie wir aus eigener Erfahrung wissen. Viele der Betroffenen, vor allem Ausländer, werden dies aus Unkenntnis oder Resignation unterlassen. Somit wird der spanische Staat die meisten der enteigneten Objekte weiterhin in der Hand behalten und die vielen eklatanten Missbräuche des Küstengesetzes, die dem Petitionsausschuß des Europäischen Parlaments vorgelegt und im Auken-Report aufgenommen wurden, bleiben unrevidiert.

Wir haben hier nur auf einige der unklaren, widersprüchlichen und für die Betroffenen nachteiligen Bestimmungen des Gesetzentwurfes hingewiesen. Der Entwurf enthält für die enteigneten Bürger nur vordergründig einige Verbesserungen, die beim näherer Prüfung durch Schlechterstellungen übertroffen werden. Es ist zu vermuten, dass die spanische Regierung mit den geplanten Veränderungen betroffene oder kaufwillige Bürger beruhigen will und eine Verbesserung ihres Images nach außen hin, auch bei europäischen Institutionen, erreichen möchte, faktisch aber höhere Einnahmen und einen verstärkten Zugriff auf wertvolles privates Eigentum ermöglichen will. Auch der zitierte Ausgleich zwischen Umweltschutz und wirtschaftlichen Interessen wird bei näherem Zusehen nicht erreicht, da durch die Begünstigung wirtschaftlicher Unternehmungen eine weitere Zerstörung der spanischen Küstenlandschaft zu befürchten ist. Der Entwurf bringt keine grössere Rechtssicherheit, sondern wird Anlass für fortdauernde Unsicherheiten, behördliche Willkür, Rechtsstreitigkeiten und Bitterkeit bei den Betroffenen sein. Mit diesem Entwurf, der dringend einer sorgfältigen Neufassung bedarf, schadet und diskreditiert sich der spanische Staat letztendlich selber – auf diese Weise werden keine Käufer für die leerstehenden Immobilien ins Land gelockt und auch inländische Anleger werden abgeschreckt. Jederzeit könnte der spanische Staat durch die Praxis von rückwirkenden Gesetzen oder Gesetzesänderungen vermeintliche Sicherheiten zunichte machen.

Nach vielen Gesprächen mit und Versprechungen von spanischen Politikern sind wir entäuscht über das Ergebnis, das uns nun präsentiert wird. Wir hoffen, dass es noch nicht zu spät für Änderungen ist und bitten Sie, verehrter Herr Präsident, verehrte Damen und Herren der Kommission , Ihren Einfluß dahingehend bei der spanischen Regierung geltend zu machen.

Mit freundlichen Grüßen

Ihre Mitglieder und Leitung der deutschen Sektion der Asociacion de Propietarios de las Asequias de Santa Margarita