Santa Margarida: Offener Brief an den Präsidenten der
Europäischen Kommission
Herrn J.M. Barroso, Vizepräsidentin, Frau V.
Reding, und die Mitglieder der Kommission
Betreff: Geplante
Änderungen des spanischen Küstengesetzes
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau
Vizepräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren,
Wir entnehmen den Pressemitteilungen der
Europäischen Kommission und der Kommissarin für Justiz, Frau Viviana Reding,
dass die Kommission Spaniens Pläne zur Verbesserung der Situation der Bürger,
die eine Immobilie an der spanischen Küste erworben haben, begrüßt.
Wir haben in der Vergangenheit, die Bemühungen von
europäischen Abgeordneten, von Frau Reding und der Kommission in dieser
Angelegenheit aufmerksam verfolgt und sie dankbar zur Kenntnis genommen.
Wir sind Betroffene des Küstengesetzes, das auch an
dem Ort, in dem wir Häuser, Apartments, Grundstücke und Schiffsliegeplätze
erworben haben, durchgeführt wurde, in Roses-Santa Margarita an der Costa
Brava. Wir haben uns zu einer Vereinigung zusammengeschlossen, die sich gegen
den Missbrauch des Küstengesetzes wendet und 250 Mitglieder von ca. 500
betroffenen Eigentümern vertritt.
Frau Reding fordert in Ihrer Pressemitteilung die
Betroffenen und Interessierten auf, sich den
Gesetzentwurf anzuschauen und sich gegebenfalls zu
äußern. Wir und auch unser Rechtsanwalt haben den Gesetzentwurf studiert und
sehen uns veranlasst, auf Ihre Mitteilung zu antworten.
Wir können Ihre positive Einschätzung der von der
spanischen Regierung vorgelegten Entwürfe nicht teilen. Wir bemerken zwar
einige Verbesserungen. Wir stellen aber fest, dass auf das Ganze gesehen, die
vorgesehenen Änderungen Nachteile und Unsicherheiten bringen.
Wir begründen das folgendermaßen:
1. Der Gesetzesentwurf behält die bisherige
ungenaue Definition der Meereseinflußzone
(maritimo-terrestre) bei. Diese Zone, die das
Staatseigentum (Dominio publico) umfasst, erstreckt sich bis "dahin, wohin
die Wellen bei den stärksten bekannten Stürmen gelangt sind". Außerdem
dehnt sie sich in die "Flußläufe aus, soweit der Einfluß der Gezeiten
spürbar ist". Diese Definitionen haben in der Vergangenheit zu
unsachgemäßen und willkürlichen "Abgrenzungen" und damit Enteignungen
der Küstenbehörden geführt und werden das weiter tun. Mit dieser Definition
wird keine "Rechtssicherheit" geschaffen.
Ein Beispiel ist unsere Urbanisation Santa
Margarita, die legal auf privatem Gelände in einem alten Fluß- und Seengelände
errichtet wurde. Die alten Entwässerungsgräben (Asequias) wurden zu Kanälen
ausgebaut, die Schiffen den Zugang zum Meer ermöglichen. Eigentümer haben aus
ihren an den Kanälen gelegenen Grundstücken Schiffsliegeplätze - entsprechend
dem seinerzeit genehmigten Plänen - ausgehoben und geschaffen, die als
Privatbesitz im Eigentumsregister und Kataster notariell eingetragen sind und
so auch von nachfolgenden Käufern erworben wurden. 2008 wurde das zum großen
Teil kilometerweit vom Meer entfernte Margarita überrraschend einer zweiten
Abgrenzung unterzogen, die die bisherigen Grenzen, die auf die eigentliche
Küstenlinie beschränkt waren, extrem erweiterte. Die
privaten Liegeplätze in der Urbanisation wurden
enteignet, an den an Kanälen anliegenden Häusern wurden 6 m als öffentlicher
Durchgangs- und Servicestreifen (Servidumbre de trasito) deklariert. Teilweise
geht dieser Streifen mitten durch Häuser.
Da bei besonderen Wetterkonstellationen das
Meereswasser bis weit nach Roses vor dringt, könnte man einen großen Teil des
alten Stadtgebietes von Roses mit der obigen Definition enteignen oder gar
abreißen.
2. Der neue Gesetzesentwurf sieht in Artikel 1,1 a;
2;20,5 vor, dass die künstlich, kontrolliert und zu diesem Zweck mit
Einrichtungen versehenen überschwemmten Gebiete nicht mehr Teil des Dominio
Publico sind. Dies begünstigt meereswirtschaftliche Anlagen, gilt aber nicht
für schiffbare Gebiete. Die Einführung eines Reglements für die sogenannten
maritim-terrestrischen Urbanisationen mit schiffbaren Kanälen (Art. 20) bringt
keine Vorteile, sondern schreibt wohl die rechtlich fragwürdigen Enteignungen
fest. Die auf privatem Gelände angelegten Kanäle sind Dominio Publico und die
künstlich überschwemmten Gebiete werden in das Staatseigentum inkorporiert,
auch wenn sie das bisher nicht waren. Zwar werden die an die Kanalhäuser
angrenzenden privaten Gebiete (z.B. Gärten) und zurückgesetzte Schiffsgaragen
ausgenommen, aber es bleibt unklar, ob sich das auch auf die in Santa Margarita
enteigneten privaten Schiffsliegeplätze bezieht. Auch ob der deklarierte
Durchgangs-und Servicestreifen an den Häusern verbleibt, wird in der Schwebe
gehalten. Es sollen zwar keine neuen Servidumbres de transito eingerichtet
werden, aber die urbanistische Planung muß dafür sorgen, dass Durchgang und
Zugang bei den Kanälen garantiert ist.
Im Widerspruch zu diesen Regelungen steht, dass
dann die im Anhang des Gesetzesentwurf angeführten maritim-terrestrischen
Urbanisationen, zumindest ihre "nucleos", aus dem Dominio publico
herausgenommen werden (Disposition adicional sexta).Es ist unklar, was das
bedeutet. Selbst, wenn das die Aufhebung der vorstehend genannten Regelungen
bedeuten würde, wären die Eigentümer nicht von allen Lasten und staatlichen
Eingriffen befreit. Diese Urbanisationen und die ausgeschlossenen Gebiete
werden "bienes patrimoniales" ("Staaterbe") und unterliegen
einem besonderen Gesetz (Ley 33/2003), das den öffentlichen Verwaltungen
besondere Rechte und Pflichten, also Einwirkungsmöglichkeiten, auferlegt. Es
ist auch unklar, nach welchen Kriterien die im Anhang genannten Urbanisationen
ausgewählt wurden. Santa Margarita ist, wie zu erwarten wäre, nicht dabei, und
die betroffenen Eigentümer wissen nun nicht, was für sie gelten wird. 3. Auf
den ersten Blick scheint es ein Entgegenkommen an Betroffene zu sein, wenn
bestehende Konzessionen für die Nutzung der als Staaatseigentum erklärten
Liegenschaften von bisher 2 x 30 Jahren (ab 1988) auf 75 Jahre verlängert
werden können. Nach dem Küstengesetz von 1988 (Disposiciones
transitoriasprimera-1) hatten Eigentümer, deren
Privatbesitz vor der Verabschiedung des
Küstengesetzes gerichtlich anerkannt war, ein Recht
auf die Konzession. Nun wird die Erteilung der Konzession zu einer
Kann-Bestimmung erweicht. Bisher mussten diese Konzessionen als Kompensation
für die staatliche Aneignung ohne Pachtgebühren erteilt werden. Nach dem neuen
Entwurf sollen Konzessionäre Gebühren entrichten, auch die von einer Enteignung
betroffenen. Damit tritt die nahezu paradoxe Situation auf (so auch in unserem
Fall), dass der Staat Eigentümern ihren legal errichteten oder erworbenen und
im offiziellen Eigentumsregister ohne Einschränkungen als privat eingetragenen
Besitz entschädigungslos wegnimmt und sie dann noch zur Kasse bittet. Dies
verstösst klar gegen
europäische Rechtsgrundsätze, die den Schutz des
Eigentums und im Falle einer Enteignung eine Entschädigung vorsehen. Es kann
zwar als Fortschritt gewertet werden, dass die Veräusserung und Vererbung der
Konzession – was faktisch bisher schon stattgefunden hat -nun legalisiert wird.
Dies wird aber dadurch relativiert, dass der Staat sich hierzu die Genehmigung
vorbehält. Es ist auch kaum als Vorteil zu betrachten, dass die Inhaber einer
Konzession nun auch offiziel Erhaltungs- und Verbesserungarbeiten an den enteigneten
Einrichtungen durchführen dürfen. So spart der Staat Kosten für die Erhaltung
ihm gehöriger Einrichtungen, für deren Benutzung er ja schon Gebühren erhebt.
4. Gegen europäische Rechtsgrundsgrundsätze
verstösst auch, dass das Küstengesetz und die geplanten Änderungen weiterhin
rückwirkend gelten sollen.
5. Dies ermöglicht zwar, dass bisherige
Abgrenzungen und Enteignungen in einigen Fällen revidiert werden können. Aber
grundsätzlich bleibt das, was bisher zum Dominio publico erklärt wurde, weiterhin
in staatlicher Hand. In den Fällen, wo der Gesetzesentwurf neue Verhältnisse
schafft, muss der enteignete Eigentümer sich an die zivilen Gerichte wenden und
die Aufhebung der Enteignung einklagen. Angesichts der unklaren und
widersprüchlichen Rechtslage ist das ein kostspieliges, unsicheres und
langwieriges Unternehmen – wie wir aus eigener Erfahrung wissen. Viele der
Betroffenen, vor allem Ausländer, werden dies aus Unkenntnis oder Resignation
unterlassen. Somit wird der spanische Staat die meisten der enteigneten Objekte
weiterhin in der Hand behalten und die vielen eklatanten Missbräuche des
Küstengesetzes, die dem Petitionsausschuß des Europäischen Parlaments vorgelegt
und im Auken-Report aufgenommen wurden, bleiben unrevidiert.
Wir haben hier nur auf einige der unklaren,
widersprüchlichen und für die Betroffenen nachteiligen Bestimmungen des
Gesetzentwurfes hingewiesen. Der Entwurf enthält für die enteigneten Bürger nur
vordergründig einige Verbesserungen, die beim näherer Prüfung durch Schlechterstellungen
übertroffen werden. Es ist zu vermuten, dass die spanische Regierung mit den
geplanten Veränderungen betroffene oder kaufwillige Bürger beruhigen will und
eine Verbesserung ihres Images nach außen hin, auch bei europäischen
Institutionen, erreichen möchte, faktisch aber höhere Einnahmen und einen
verstärkten Zugriff auf wertvolles privates Eigentum ermöglichen will. Auch der
zitierte Ausgleich zwischen Umweltschutz und wirtschaftlichen Interessen wird
bei näherem Zusehen nicht erreicht, da durch die Begünstigung wirtschaftlicher
Unternehmungen eine weitere Zerstörung der spanischen Küstenlandschaft zu
befürchten ist. Der Entwurf bringt keine grössere Rechtssicherheit, sondern
wird Anlass für fortdauernde Unsicherheiten, behördliche Willkür, Rechtsstreitigkeiten
und Bitterkeit bei den Betroffenen sein. Mit diesem Entwurf, der dringend einer
sorgfältigen Neufassung bedarf, schadet und diskreditiert sich der spanische
Staat letztendlich selber – auf diese Weise werden keine Käufer für die
leerstehenden Immobilien ins Land gelockt und auch inländische Anleger werden
abgeschreckt. Jederzeit könnte der spanische Staat durch die Praxis von
rückwirkenden Gesetzen oder Gesetzesänderungen vermeintliche Sicherheiten
zunichte machen.
Nach vielen Gesprächen mit und Versprechungen von
spanischen Politikern sind wir entäuscht über das Ergebnis, das uns nun
präsentiert wird. Wir hoffen, dass es noch nicht zu spät für Änderungen ist und
bitten Sie, verehrter Herr Präsident, verehrte Damen und Herren der Kommission ,
Ihren Einfluß dahingehend bei der spanischen Regierung geltend zu machen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Mitglieder und Leitung der deutschen Sektion
der Asociacion de Propietarios de las Asequias de Santa Margarita